Sprungantrieb

Bevor die Menschen ihren Weg zu den Sternen beschreiten konnten, mussten sie zunächst eine undurchdringliche Barriere überwinden - die Lichtgeschwindigkeit. Ungeachtet aller Forschungen erwiesen sich Einsteins Theorien diesbezüglich allerdings als äußerst robust und auch die Physik selbst machte keine Anstalten, sich dem menschlichen Willen zu beugen. Und so blieb die Lichtgeschwindigkeit, bis heute, eine absolute und unumstößliche Konstante.

Erstaunlicherweise erfolgte der nächste Durchbruch nicht in einer Forschungseinrichtung des Hauses Habsburg-Möbius, sondern ist einem Team von Wissenschaftlern des Hauses Abrahams zuzuschreiben. Den Astrophysikern rund um Professorin Veronica Miller gelang, mittels verschränkten Quantensystemen, der Nachweis, dass Superstrings tatsächlich existieren und theoretisch unendlich lang sind. Es handelte sich dabei um theoretische Grundlagenforschung, die seinerzeit wenig Beachtung fand.

Vier Jahre später schaffte es Professor Alfons von Schröder, basierend auf Millers Forschungen, einen Superstring aufzublasen, von seiner eineinhalb-Dimensionalität auf drei Dimensionen zu entfalten. Er bezeichnete diesen kurzfristig entstehenden Tunnel, außerhalb des klassischen Raum-Zeit-Kontinuums, als extraspatial. Bald schon war klar, dass dieser XS-Raum keine zeitliche Dimension besaß, Objekte die hindurchgesendet wurden, erreichten den Austrittspunkt ohne Zeitverlust.

Die gesammelten Ergebnisse, stellten die Wissenschaftler allerdings auch vor neue Rätsel. So schien es unmöglich, den genauen Austrittspunkt eines Objekts aus dem Superstring zu berechnen. Erst siebzehn Jahre später, im Jahr 2341, erfolgte der erste Sprung eines bemannten Raumschiffs über die Distanz von 7,3 AE. Die Grenze der Lichtgeschwindigkeit war nicht gefallen, aber umgangen.

Rückblickend auf die ersten Forschungsprojekte, machte man sich nun daran, ein dauerhaftes Portal zu erschaffen, zwei Punkte zwischen denen ein Superstring permanent auf drei Dimensionen aufgefaltet war. Ein erstes experimentelles Tor wurde gut einhundert Jahre später, 2476, in Betrieb genommen, es überbrückte ein halbes Lichtjahr. In den folgenden fünf Jahren musste es fünf mal neu aufgespannt werden, bis man die Technologien zur Stabilisierung des Extraspatialraums ausreichend verfeinert hatte.

Zum 01.01.2500 wurde die Sternentorverbindung Sol - Alpha-Centauri feierlich in Betrieb genommen.

1. Der Sprungantrieb

1.1. Aufbau

Zunächst einmal sei festzustellen, dass man einem Raumschiff äußerlich nicht ansieht, ob es mit einem Sprungantrieb ausgestattet ist oder nicht. Sämtliche Systeme, die für den Raumsprung notwendig sind, befinden sich innerhalb der Maschinensektion.

1.1.1 Die Kammer
Dies ist das Herzstück eines jeden Sprungantriebs. Ein kleiner kugelförmiger Raum, in dem ein perfektes Vakuum herrscht, gekühlt nahe zum absoluten Nullpunkt, umgeben von hochkomplexen Sensoren, die den richtigen Superstring für den Sprung wählen. Dazu befinden sich am vorderen und hinteren Pol verschränkte Quantenpakete, diese werden kontrolliert angeregt um eine messbare Schwingung im Superstring zu erzeugen.

1.1.2 Der Reaktor
Um die Energie für das Entfalten eines Superstrings zu erzeugen, werden üblicherweise Torus-Fusionsreaktoren verwendet. In kleineren Schiffen, speist man den Sprungantrieb aus denselben Reaktoren wie die Sublichtmaschinen, größere oder militärische Schiffe verwenden meistens dedizierte Fusionsreaktoren nur für den Sprungantrieb.

1.2. Ablauf eines Sprungs

1.2.1 Vorbereitung
Durch die Astrogation wird der Kurs berechnet, dabei muss man unter anderem berücksichtigen, dass Gravitationskrümmungen in der Raum-Zeit auch Superstrings beeinflussen. Vor dem Sprung erfolgt die finale Ausrichtung des Schiffs auf den vorgesehenen Kurs. Die Fusionsreaktoren für den Sprungantrieb werden hochgefahren, das Plasma durch die Eindämmungsfelder in Kugelform gepresst und auf hohe relativistische Geschwindigkeit beschleunigt.

Kurz vor dem Sprung wird das Schiff klar gemacht, die Schotts geschlossen, die Notfallstationen besetzt. Nachdem das Reaktionsplasma die erforderliche Geschwindigkeit erreicht hat, werden in der Kammer die Quantensysteme angeregt, und ein passender Superstring zum Schwingen gebracht.

1.2.2 Der Sprung
Durch magnetisch geschirmte Leitungen schießen die Plasmakugeln in die Kammer und kollidieren im schwingenden Superstring. Durch die frei werdende Energie wird der Superstring aufgefaltet. Das Schiff fällt in den entstehenden Extraspatialraum und wird durch dessen Kollaps wieder in die normale Raum-Zeit zurückgedrückt.

1.2.3 Abklingen
Der größte Teil des Fusionsplasmas entweicht während des Sprungs in den entstehenden Superstring, ein Teil des Millionen Grad heißen Materials verbleibt allerdings in der Kammer. Diese wird darum, umgehend nach dem Sprung, mit Helium oder Stickstoff - welches Kühlgas verwendet wird, ist herstellerabhängig - gespült und evakuiert.

Nun muss die Kammer wieder mit einem echten Vakuum versehen werden und vor dem nächsten Sprung auf Betriebstemperatur gekühlt werden. Außerdem ist es notwendig die Sensorsysteme neu zu kalibrieren, die Reaktoren zu überprüfen und das Raumschiff auf mögliche Schäden zu checken.

1.3. Die Grenzen des Sprungantriebs

Natürlich hat die eingesetzte Energiemenge einen großen Einfluss auf die Sprungdistanz, wobei die Masse keine Rolle spielt, einzig der Durchmesser des zu erschaffenden Tunnels durch den XS-Raum. Ein Raumschiff mit einem größeren Querschnitt muss mehr Volumen schaffen, den String also weiter aufblasen.

Zunächst ließ sich die maximale Sprungdistanz noch relativ einfach erhöhen, mehr Energieeinsatz, weitere Sprünge - ein Lichtjahr, dann zwei, fünf, sieben, schließlich zehn und etwas darüber hinaus. Ab dieser Größenordnung reichte das reine Skalieren der Reaktoren nicht mehr aus. Dabei muss man natürlich bedenken, trotz all der wissenschaftlichen Erkenntnisse, viele Eigenheiten der Superstrings und des Extraspatialraums stellen auch nach über fünfhundert Jahren noch ein Rätsel dar. Genau genommen, wenn man es vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, weiß man gerade genug, um ein Loch zu reißen und hindurchzuschlüpfen - man kratzt also an der Oberfläche.

Und offenbar ist das ein allgemeines Problem, dem auch frühere Hochkulturen schon begegnet sind. Stieß man doch, im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte, in entlegenen Systemen, auf das eine oder andere vergessene Raumschiff eines vergangenen galaktischen Imperiums. Wie die alten Sternentore eindeutig Relikte einer untergegangenen Kultur. Und auch wenn deren Antriebssysteme scheinbar ausgefeilter waren, als die der Menschen es bisher sind - stößt man auch mit diesen Systemen, so sie überhaupt noch funktionieren, bei gut zehn Lichtjahren an eine Grenze. Anders als die Lichtgeschwindigkeit, ist diese Grenze nicht mit flammenden Lettern in die Grundfesten des Universums graviert, es gibt Fälle in denen Raumschiffe fünfzehn oder auch zwanzig Lichtjahre in einem Sprung überwunden haben und nicht zerstört wurden.

Eine Annahme ist, dass der Tunnel, der sich im Extraspatialraum bildet, eine theoretische Propagationsgeschwindigkeit besitzt und nicht lange genug offen gehalten wird, als dass er sich weiter ausdehnen könnte. Eine andere Theorie fußt auf der Von-Kalbenfels-Konstante - diese beschreibt die Dämpfung einer Schwingung innerhalb eines Superstrings. Genauer wird dies im Abschnitt Erschaffung von Sternentoren erläutert.
Sicherlich gibt es Hypothesen, nach denen es möglich auch sein sollte, Objekte beliebiger Größe über eine unbegrenzte Distanz zu katapultieren - von einer allgemeinen anerkannten Theorie oder gar irgendwelchen Prototypen die das bewerkstelligen ist man noch weit entfernt.

Fakt ist: Im Schnitt ist ein moderner Sprungantrieb in der Lage, etwa einen Sprung pro Tag zu ermöglichen und mit diesem sieben bis zehn Lichtjahre zu überwinden. Etwa fünf Prozent aller sprungfähigen Schiffe, hauptsächlich befinden sich diese im militärischen Einsatz, verfügen über einen sogenannten Batteriesprungantrieb - es sind also zwei, in seltenen Fällen auch drei oder vier Sprungantriebsaggregate verbaut.
Ein solches Schiff führt üblicherweise alle möglichen Sprünge direkt nacheinander aus, danach erfolgt die Überholungsphase.